Todestag oder Geburtstag? Ein Wort zum Osterfest von Dekan Erich Hartmann; Calw

"Die Osterbotschaft gehört ins Sterbezimmer, sie gehört auf die Intensivstationen und in die überlasteten Krankenhäuser überall auf der Welt. Ostern erhebt Einspruch: Gott lässt dem Tod nicht das letzte Wort." Ein Wort zum Osterfest von Dekan Erich Hartmann.

Todestag oder Geburtstag?

Sterbe ich oder habe ich Geburtstag?
Es war der 2. Mai 1964. Die ganze Familie der britischen Politikerin Lady Nancy Astor hatte sich um ihr Sterbebett versammelt. „Am I dying or is this my birthday“ - Sterbe ich oder ist heute mein Geburtstag? - das waren Ihre letzten Worte.

War sie verwirrt? Oder wollte die Sterbende es den Trauernden leichter machen - augenzwinkernd, mit britischem Humor? Auf jeden Fall klingen ihre letzten Worte voller Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod.

Ich stelle mir vor, dass diese Frage ein Lächeln unter die Tränen der Angehörigen gezaubert hat. Auf einmal war es nicht mehr so dunkel und schwer am Sterbebett. Andere Bilder stellten sich ein. Erinnerungen an Geburtstagsfeiern tauchten auf. Und trotz drohendem Tod - auch nach vorne hin war die Perspektive nun anders. Offen. Die Osterbotschaft war ins Sterbezimmer gedrungen. Und da gehört sie auch hin.

Ostern erhebt Einspruch.
Die Osterbotschaft gehört ins Sterbezimmer und auf die Friedhöfe, sie gehört auf die Intensivstationen und in die überlasteten Krankenhäuser überall auf der Welt. Sie gehört überall dorthin, wo der Tod sich breitmacht und den Anspruch erhebt, das letzte Wort zu haben. Sie gehört überall dort hin, wo Menschen Angst haben in diesen schweren Zeiten oder um liebe Angehörige bangen müssen Ostern erhebt Einspruch: Gott lässt dem Tod nicht das letzte Wort.

Der Statthalter Pilatus in der römischen Provinz Judäa wollte Schluss machen mit diesem Jesus von Nazareth und seinen aufwieglerischen Reden und Aktionen für die Armen und gegen die Herrschenden. Die Botschaft Jesu sollte verstummen. Doch das Gegenteil geschah. Kaum ein paar Tage war Jesus begraben, da begannen manche zu reden: Er lebt. Wir haben ihn gesehen.

Was da genau passiert ist, das bleibt Gottes Geheimnis. Aber in allen Geschichten war es so, dass Menschen die Kraft Gottes spürten. Eine Kraft, die die Menschen glauben und darauf vertrauen ließ: Über Jesus und sein Leben ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Es ist nicht vergeblich gewesen, was Jesus getan und gesagt hat! Es ist auch nicht vergeblich, was wir tun und was wir sagen und wofür wir einstehen.

Der Tod ist in der Welt. Wir werden durch ihn hindurch müssen.
Weder Pilatus noch die Machthaber von heute, aber auch kein tückisches Virus haben das letzte Wort. Der Tod ist in der Welt. Das bleibt auch nach Ostern so. Damit müssen wir leben. Nicht hinnehmen aber müssen wir, dass Menschen vor der Zeit sterben. Dass sie untergehen auf Schlauchbooten im Mittelmeer. Dass sie verhungern, weil die Mächtigen lieber Krieg führen als sich um ihr Volk zu kümmern. Oder dass Menschen nicht mehr geholfen werden kann, weil die Krankenhäuser überlastet sind.

Wir müssen zusammen stehen. Dagegen ankämpfen. Solidarisch sein. Der Tod hat immer noch ein gewichtiges Wort. Wir alle werden durch ihn hindurch müssen. Aber eben hindurch. Wir werden nicht in ihm stecken bleiben. Weil Jesus Christus ihm nicht das letzte Wort gelassen hat. Das ist die Botschaft von Ostern. Gott ruft uns ins Leben. So hat er es am Anfang getan. So tut er es jeden Tag neu.

Auch wenn wir sterben – es ist nicht das Ende